Roboter übten für den nuklearen Ernstfall

Atomarer Störfall im österreichischen Atomkraftwerk Zwentendorf – zum Glück nur ein Szenario beim »2nd European Robotics Hackathon (EnRicH) 2019«, bei dem zehn internationale Teams eine Woche lang den Ernstfall probten. Die im Wettbewerb gestellten Aufgaben forderten die Teilnehmer und ihre Roboter stark heraus: Sie mussten die Lage im Reaktorgebäude erkunden und kartieren, Strahlung detektieren, messen und kartieren sowie Verletzte finden und retten. Da das Betreten des Gebäudes für Menschen zu gefährlich ist, durften sie nur von außen unterstützen. Ein erfolgreicher Hackathon für das Fraunhofer FKIE: Es konnte sich gleich in zwei Kategorien Platzierungen sichern.

© Fabian Vogl
Die Roboter sind mit Sensoren, Kameras und Messgeräten ausgestattet, um ein möglichst präzises Lagebild zu liefern.
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Der Hackathon verlangt den Teams einiges ab: Die Roboter müssen sich ihren Weg durchs AKW bahnen.
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Letzter Check vor dem Einsatz: Das Team FKIE war in zwei Kategorien erfolgreich.

»EnRicH ist der einzige Wettbewerb in Europa, bei dem mit echter Strahlung geübt wird. Hier zeigt sich, was die europäische Robotik im Fall der Fälle leisten kann«, machte General Michael Janisch, Leiter des Amtes für Rüstung und Wehrtechnik (ARWT) des österreichischen Heeres, bei der Eröffnung des Hackathons deutlich. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE organisierte sein Amt den Wettbewerb zum zweiten Mal und ermöglichte, dass die den Teilnehmern gestellten Szenarien durch die Bereitstellung echter radioaktiver Strahlungsquellen und des einzigartigen Veranstaltungsorts maximal realitätsnah sind.

Das AKW Zwentendorf bot hierfür einen geschichtsträchtigen Rahmen, denn: Es ist ein Symbol für die Ablehnung der Atomenergie, nachdem eine Volksbefragung im Jahr 1978 seine Einschaltung stoppte. Gleichzeitig ist es fast baugleich mit dem Katastrophenmeiler im japanischen Fukushima, in dem sich 33 Jahre später der zweitschlimmste Nuklear-GAU nach Tschernobyl ereignen sollte. Jetzt wiederum wurde hier für diesen Katastrophenfall geübt.

In insgesamt drei Disziplinen konnten sich Teams und Roboter messen: »Exploration«, der Erkundung und möglichst präzisen Kartierung der Infrastruktur und Erstellung einer Strahlungskarte, »Manipulation«, das diesjährige Szenario verlangte hier das Schließen von Ventilen, sowie dem Auffinden und Retten von Verletzten in der Disziplin »Search & Rescue«.

Zwei Platzierungen für Team FKIE

Platz 1 in der Kategorie »Search & Rescue« sicherten sich die Wissenschaftler des Fraunhofer FKIE mit den Robotern Fenrir und Magni. FKIE-Wissenschaftler Boris Illing lobte die Leistung seines Teams: »Das Szenario war auf jeden Fall eine echte Herausforderung und deutlich schwieriger als beim letzten Mal. Aber das macht einen Hackathon aus. Im Vordergrund steht, dass sich alle Teams austauschen, ihre Lösungen vergleichen und vor Ort noch fieberhaft an ihnen feilen.« Darin erwies sich Team FKIE auch in einer zweiten Disziplin sehr erfolgreich: Exploration, dieses Mal allein mit Unterstützung des größtenteils autonom fahrenden Roboters Fenrir. Hier konnte es sich den zweiten Platz hinter Team Hector von der TU Darmstadt sichern. In der Disziplin »Manipulation« siegte das in Baden-Württemberg beheimatete Unternehmen Telerob.

Teilnehmer-Lob für Veranstaltungsort, Szenarien und Organisation

Hauptorganisator Frank Schneider, stellvertretender Leiter der Abteilung »Kognitive Mobile Systeme« am Fraunhofer FKIE, erntete von den Teilnehmern viel positives Feedback für die anspruchsvollen Aufgabenstellungen. Er selbst zog ebenfalls positiv Bilanz: »Aus unserer Sicht war EnRicH 2019 eine sehr erfolgreiche Veranstaltung mit deutlich besseren Leistungen als noch bei der ersten Ausgabe 2017.« Wünschenswert wäre seiner Ansicht nach allerdings eine etwas größere internationale Streuung des Teilnehmerfelds gewesen, denn von zehn Teams stammten sieben aus Deutschland oder Österreich, darüber hinaus aus Italien, Polen und Ungarn. »Insbesondere wäre die Teilnahme von weiteren professionellen Teams aus dem kerntechnischen Bereich sicher spannend und aufschlussreich gewesen.«

Angesichts des großen, bereits akuten Unterstützungsbedarfs durch Roboter im nuklearen Anwendungsfeld, den Katastrophengebiete wie Tschernobyl und Fukushima oder auch die Stilllegung alter kerntechnischer Anlagen deutlich machen, hat das ARWT bereits die Fortführung des Hackathons zugesagt. Schneider: »Ohne die Unterstützung von General Janisch und seinem Amt könnten wir diese Veranstaltung nicht durchführen. Deshalb freuen wir uns sehr auf die gemeinsame Fortsetzung – bei der dritten EnRicH-Ausgabe 2021.«