Datenübertragung und Kommunikation unter der Wasseroberfläche

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Circa 70 Prozent der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt. Was sich unter dem Meeresspiegel befindet, ist jedoch noch immer zu großen Teilen unbekannt. Unterwassersensoren, Glider und autonome Tauchfahrzeuge sollen dabei helfen, mehr über Ozeane herauszufinden: Sie zeichnen Umweltdaten wie Salzgehalt, Strömung und Temperatur auf oder kartographieren den Meeresgrund. Die Anwendungsgebiete sind vielfältig. Doch wie gelangen die Daten an die Wasseroberfläche? Antworten auf diese Fragestellung erforscht das Fraunhofer FKIE seit mehr als zehn Jahren.

© Fraunhofer FKIE
Erprobung der Technologien bei einem Seeversuch

Die Herausforderung bei der Unterwasserkommunikation ist das Wasser selbst. Funk- und Lichtwellen werden vom Wasser stark absorbiert. Spätestens bei 60 Metern Tiefe sind sie verschwunden. Wie also können Daten trotzdem in den dunklen Tiefen der Meere übertragen werden? Die Lösung zeigt die Natur selbst auf: Wale und andere Meeressäuger nutzen Schall, um zu kommunizieren. Umso tiefer die Töne, desto weiter breiten sie sich aus – und sind so auch über hunderte Kilometer zu hören. Schall erzielt unter Wasser nicht nur größere Reichweiten, er ist auch etwa fünfmal schneller als in der Luft.

Doch Schall hat nicht nur Vorteile. Es gibt eine Vielzahl von Geräuschen wie vorbeifahrende Schiffe, Regen oder Wellen auf der Wasseroberfläche, die die Kommunikation stören können. Die größte Herausforderung besteht allerdings in den niedrigen Datenraten, die mit Wasserschall erzielt werden können. Während es im Funkbereich inzwischen möglich ist, mehrere Gigabit pro Sekunde zu übertragen, sind es im Unterwasserbereich lediglich wenige Kilobit pro Sekunde. Umso größer die gewünschte Reichweite, desto niedriger muss die Frequenz und die damit einhergehende Bandbreite gewählt werden. Für eine Reichweite von zehn Kilometern eignet sich ein Frequenzband von vier bis acht Kilohertz mit einer Nettodatenrate von unter 1000 Bit pro Sekunde.

Doch es sollen nicht nur einzelne Geräte miteinander verbunden werden. Ziel ist, ein ganzes Netzwerk aufzubauen, vergleichbar mit dem Internet. Hierfür entwickelt Fraunhofer FKIE gemeinsam mit Partnern völlig neue Konzepte, da klassische IP-Netzwerke für schmalbandige Kanäle nicht geeignet sind. Daraus ergeben sich Fragestellungen wie: Welche Informationen sind zwingend erforderlich? Und wie können Daten vorverarbeitet und optimal komprimiert werden?

Diese Fragen sollen nicht nur theoretisch betrachtet werden. Das Fraunhofer FKIE setzt die Lösungsansätze auch auf realer Hardware um und erprobt sie in praktischen Seeversuchen. Nur so kann gezeigt werden, dass die Konzepte auch unter realen Bedingungen funktionieren. Ziel ist ein Prototyp, der unter realen Einsatzbedingungen evaluiert und funktionsfähig ist.

Zunächst haben die Wissenschaftler geprüft, welche bereits bestehenden Technologien für das Umfeld der Unterwasserkommunikation infrage kommen. Typischerweise werden diese an die spezifischen Bedürfnisse angepasst. Es zeigte sich jedoch, dass die Forscher im Fall der extrem niedrigen Datenraten und hohen Latenzen völlig neue Ansätze finden mussten. Dazu haben sie eine Anforderungsanalyse durchgeführt: Wer möchte wem wann was mitteilen? Fraunhofer FKIE hat dies in einem europäischen Konsortium aus Marinen, Industrie und Forschungseinrichtungen ermittelt und auf Basis dessen gemeinsam mit der WTD 71 eine Anwendungssprache unter dem Namen »Generic Underwater Application Language« (GUWAL) spezifiziert. GUWAL bildet damit den Grundstein eines gemeinsamen Standards, mit dem Geräte unter Wasser Daten austauschen können. GUWAL legt das Format fest, wie Sensordaten angefragt und übertragen, aber auch Kommandos mit autonomen Tauchrobotern ausgetauscht werden können. Dabei spielt Effizienz in der Datenkomprimierung eine wesentliche Rolle, um dem schmalbandigen Unterwasserkanal gerecht zu werden. Auf diese Weise kommt GUWAL mit einer Paketlänge von lediglich 128 Bit aus.

Auf Basis von GUWAL haben die Forscher zudem ein Netzwerkprotokoll entwickelt. Es überträgt die kurzen Nachrichtenpakete zwischen den Teilnehmern unter Wasser. Da die Reichweite an die Datenrate geknüpft ist, können nicht alle Netzwerkteilnehmer die Daten direkt miteinander austauschen. In großen Netzwerken, die sich über hundert Kilometer und mehr erstrecken, müssen die Daten in Richtung des Ziels von Teilnehmer zu Teilnehmer weitergeleitet werden. Dieses Verfahren ist als »Multi Hopping« bekannt und eine Schlüsseltechnologie für den Unterwasserbereich. Dies bedeutet aber auch, dass Routen zum Ziel automatisch gefunden und an die sich ständig ändernden Bedingungen angepasst werden müssen. Speziell auf diese Anforderungen hat Fraunhofer FKIE das Netzwerkprotokoll GUWMANET zugeschnitten.

Bevor Verfahren aufwendig und kostenintensiv unter realen Bedingungen bei Seeversuchen erprobt werden können, müssen sie im ersten Schritt simuliert und im Labor emuliert werden. Für die Entwicklung einer Simulationsumgebung hat das Fraunhofer FKIE mit Forschungseinrichtungen und Universitäten zusammengearbeitet. In dieser Umgebung wurde GUWMANET in einer Vielzahl von Simulationen überprüft, bevor es anschließend im Seeversuch getestet wurde.

© Fraunhofer FKIE
Die Gatewayboje bildet, wenn sie zu Wasser gelassen ist, die Schnittstelle zwischen der Über- und der Unterwasserwelt.

Im Projekt »Robust Acoustic Communications in Underwater Networks« (RACUN) der »European Defense Agency« (EDA) haben die fünf beteiligten Nationen Deutschland, die Niederlande, Italien, Norwegen und Schweden von 2010 bis 2014 verschiedene Unterwasserprotokolle entwickelt und gegeneinander getestet. Dabei kamen auch Tauchfahrzeuge von ATLAS Elektronik sowie Modems von der Hamburger Firma develogic zum Einsatz. Das von Fraunhofer FKIE und WTD 71 erarbeitete Netzwerkprotokoll GUWMANET diente als Referenz zur Bewertung der anderen Verfahren. Sowohl in den Simulationen als auch im finalen Seeversuch hat GUWMANET die mit Abstand besten Ergebnisse erzielt, mit Paketübertragungsraten von rund 90 Prozent. Aus diesem Grund wurde es im Folgeprojekt »Smart Adaptive Long- and Short-range Acoustic network« (SALSA) als Standard gewählt und wird aktuell gemeinsam mit den europäischen Partnern weiterentwickelt.

In SALSA werden neue Strategien erarbeitet, wie das Netzwerkprotokoll zwischen verschiedenen Profilen automatisch wechseln kann. Dabei gibt es Profile, die besonders robust sind und sich für schwierige Bedingungen mit hohen Störgeräuschen eignen, und andere Profile, die weniger robust sind, dafür aber höhere Datenraten erzielen. Die Verfahren wurden bereits 2020 in einem Hafentest in Kiel sowie 2021 im Vätternsee in Schweden getestet. Im April 2022 fand der Abschlussversuch im Oslofjord in Norwegen statt. Dabei lief GUWMANET auch erstmals auf dem Unterwassertelefon UT3000 der Firma ELAC Sonar, das unter anderem zur U-Boot-Kommunikation eingesetzt wird. Darüber war es möglich, mit den autonomen Tauchfahrzeugen und den Sensorknoten auf dem Meeresgrund zu kommunizieren. Das Netzwerk lieferte regelmäßig Positions- und Statusupdates und ermöglichte dem Operateur, bei Bedarf ins Geschehen einzugreifen. Ein solch internationales Unterwassernetzwerk, mit Projektpartnern aus den Niederlanden, Finnland, Norwegen, Schweden und Deutschland, konnte nur durch den Einsatz von gemeinsamen Standards wie GUWMANET und GUWAL hergestellt werden.

Neben GUWAL und GUWMANET hat das Fraunhofer FKIE mit der WTD 71 eine Gatewayboje prototypisch entwickelt. Sie bildet die Schnittstelle zwischen der Über- und der Unterwasserwelt und ermöglicht es, Unterwassergeräte an bestehende terrestrische Netzwerke anzubinden. Als Funktechnologien kommen dabei sowohl 4G und 5G mit Reichweiten von ca. zehn Kilometer als auch HF-Funk für Reichweiten über 65 Kilometer zum Einsatz. Der Prototyp wurde im September 2021 erstmals in der großangelegten NATO-Übung REP(MUS)21 in der Nähe von Lissabon in Portugal eingesetzt. Dabei hat die Boje die Unterwasserpakete von GUWAL an ein maritimes Einsatzzentrum an Land weitergeleitet. In einem Folgeprojekt sollen nun weitere Bojen als NATO-Referenzarchitektur gemeinsam mit Großbritannien gebaut und bei einer Demonstration im Jahr 2023 gezeigt werden.