Pilotenausbildung bei der Bundeswehr

Projekt erforscht die Früherkennung von Reisekrankheit bei angehenden Bundeswehrpiloten

Die Pilotenausbildung ist für die Bundeswehr eine aufwendige und kostenintensive Aufgabe. Insbesondere das praktische Training sollte daher möglichst störungsfrei verlaufen. Doch gerade während der Ausbildung gibt es Pilotenanwärter, die an Symptomen der Kinetose, umgangssprachlich auch als Reise- oder Bewegungskrankheit bekannt, leiden. Die Betroffenen müssen dann zumeist das Training zugunsten einer Desensibilisierung unterbrechen. Die damit einhergehenden Mehrkosten und, noch viel wichtiger, die zeitlichen Verzögerungen bleiben. Um solchen Fällen künftig vorzubeugen, hat die Bundeswehr ein Forschungsprojekt aufgesetzt. Dazu haben sich das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) und die Universität der Bundeswehr München unter der Leitung des Fraunhofer FKIE im Projekt »KiRis« (»Früherkennung des Kinetose-Risikos«) zusammengeschlossen. Ziel: die Entwicklung einer KI- und simulatorgestützten Methode zur Früherkennung der Kinetose-Tendenz von angehenden Piloten.

© Fraunhofer FKIE
Erforscht das Kinetose-Risiko bei Pilotenanwärtern: das »KiRis«-Projektteam.

Übelkeit, Desorientierung, Sehstörungen – die bei ungewohnten Bewegungssituationen auftretenden Symptome der Kinetose verursachen bei Betroffenen nicht nur Unwohlsein, sondern können in sicherheitskritischen Situationen zu folgenschweren Fehlern und Unfällen führen. »Die Beurteilung, ob jemand anfällig für Kinetose ist, ist jedoch schwierig«, erläutert FKIE-Wissenschaftlerin und KiRis-Projektleiterin Mara Kaufeld. »Bei den Pilotenanwärtern der Bundeswehr stellt sich dies zumeist erst während der Erstflugausbildung in den USA heraus. Entwickelt eine oder einer von ihnen in dieser Phase eine ausgeprägte Kinetose, muss sie oder er den Ausbildungsabschnitt zeitweise abbrechen, um sich einer Desensibilisierungsmaßnahme zu unterziehen. Einer der stark limitierten, hochwertigen Ausbildungsplätze geht damit verloren und es kommt zu erheblichen Verzögerungen der Ausbildung.«

Entwicklung eines zuverlässigen Modells zur Vorhersage von Kinetosen

Nach Daten der U.S. Air Force und der Deutschen Luftwaffe zeigen zwischen 10 bis 20 Prozent der Pilotenanwärter während der fliegerischen Ausbildung Kinetose-Symptome. Wie aber lässt sich feststellen, ob ein Ausbildungskandidat anfällig für Kinetose ist? Gibt es allgemeine psychophysiologische Anzeichen, anhand derer sich das Risiko ablesen lässt? Diesen Fragen geht das Forscherteam im Rahmen von KiRis nach.

»Für das Projekt dürfen wir auf den Simulator und das beeindruckende Motion Cueing System unseres Partners, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, zugreifen«, so Kinetose-Expertin Kaufeld. Die Pilotenanwärter sollen in diesem Simulator künftig speziell entwickelte Testszenarien absolvieren. Die körperlichen Reaktionen, die sie dabei zeigen, werden dokumentiert, untersucht, mit früheren Kinetose-Erfahrungen kombiniert und schließlich mit dem Auftreten von Kinetose im Realflugtraining korreliert. So sollen mithilfe von Methoden des maschinellen Lernens Risikofaktoren identifiziert und anhand dieser ein Modell für die möglichst verlässliche Vorhersage von Kinetosen entwickelt werden.

Die durch das Planungsamt der Bundeswehr vergebene Studie läuft über drei Jahre. Die Gesamtkoordination liegt beim Fraunhofer FKIE. Das Institut ist darüber hinaus federführend bei der wissenschaftlichen Darstellung von Kinetosen, bei der Auswahl geeigneter physiologischer Parameter zu ihrer Vorhersage sowie bei der Konzeption, Vorbereitung und Begleitung der Tests, deren Ergebnisse dann wissenschaftlich analysiert und bewertet werden.

Erstellung realistischer Szenarien und Missionen

Schwerpunkt des Arbeitsanteils des seitens der Universität der Bundeswehr München beteiligten Instituts für Flugsysteme (IFS) ist die Erstellung realistischer Szenarien und Missionen sowie die Implementierung spezieller Eye-Tracking-Technologien als Teil der Sensorik. Weiterhin zeichnet es für die eigentliche Durchführung der Messkampagnen und die Auswertung der Blickbewegungsmessung verantwortlich.

Die gesamte Testinfrastruktur stellt das Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik (SR) des DLR bereit. Hier sind in erster Linie die Simulatorumgebung inklusive der Flugdynamikmodelle und des Cockpitmoduls zu nennen. Auch die Entwicklung der auf die Testszenarien zugeschnittenen Bewegungsalgorithmen und Echtzeitvisualisierungen liegt in der Verantwortung des DLR. Bundeswehrseitig begleiten das Kommando Luftwaffe (Kdo Lw) und das Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe (ZentrLuRMedLw) das Projekt. »Für die Bundeswehr steht bei diesem Projekt die optimale Betreuung des Nachwuchses im Fokus. Mit seiner Hilfe soll langfristig eine in dieser Form einmalige Kompetenz aufgebaut und für die Bundeswehr gesichert werden, um die Sicherheit im Luftraum heute und in Zukunft auf höchstem Niveau sicherzustellen«, betont Oberstarzt Dr. Oliver Erley, Projektverantwortlicher beim ZentrLuRMedLw.