Nach Interview mit der Washington Post: FKIE-Wissenschaftlerin Macarena Varela berichtet weltweit über ihre Drohnenforschung

Mit Mikrofon-Arrays ausgestattete Drohnen sollen Rettungskräfte in Katastrophengebieten dabei unterstützen, Überlebende schneller aufzuspüren und zu retten. Ziel ist, dass sie Hilfeschreie oder Signale von Verschütteten aus der Luft erkennen und gleichzeitig gezielt orten können. Macarena Varela, Wissenschaftlerin am Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE, entwickelt diese Technologie, mit der Opfern in Situationen geholfen werden kann, in denen jede Sekunde zählt.

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Mit Mikrofon-Arrays ausgestattete Drohnen können Rettungskräfte in Katastrophengebieten bei der Suche und Rettung von Überlebenden unterstützen.
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Zusätzlich zur visuellen Identifikation ermöglicht der Forschungsansatz die Ortung von Personen mithilfe akustischer Sensoren.
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Auf dem 180. Treffen der Acoustical Society of America stellte Macarena Varela ihre Forschungsergebnisse vor.

Ihre jüngsten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse hierzu stellte die Wissenschaftlerin bei dem online durchgeführten 180. Treffen der »Acoustical Society of America« vor: »Mit modernster Technologie ausgestattete Drohnen können in kurzer Zeit ein größeres Gebiet überprüfen als Rettungskräfte oder Spürhunde. Sie können außerdem an Orte gelangen, die für Helfer zunächst noch gar nicht erreichbar sind und so den Einsatzleitern einen guten Überblick über die Situation im Krisengebiet liefern«, beschreibt Varela die bisherigen Einsatzmöglichkeiten von Drohnen in Katastrophenfällen. Dabei werden Luftbilder zur Dokumentation von Schäden aufgenommen, manche Drohnen haben zudem eine Wärmebildfunktion im Einsatz, um Verschüttete zu finden.

Varelas Forschungsansatz umfasst zusätzlich zur visuellen Identifikation die Ortung von Personen mithilfe akustischer Sensoren und konkreter Zuordnung der Geräusche. »Wir entwickeln eine Technologie, die im Katastrophenfall definitiv Leben retten kann. Schließlich zählt in solchen Situationen jede Minute«, so die gebürtige Chilenin, die in Kanada aufgewachsen ist. Voraussetzung hierfür: Die Sensoren müssen zunächst zwischen Hilferufen oder anderen menschlichen Signalen sowie den Geräuschen unterscheiden, die in der Natur vorkommen. Gleichzeitig muss der Rotor-Lärm der Drohne herausgefiltert werden, damit er die empfangenen Hilferufe nicht übertönt bzw. verändert.

Stellt man sich das Szenario »Einsatz im Katastrophengebiet« vor, müssen zudem weitere Umgebungsgeräusche wie zum Beispiel Hubschrauberlärm oder Fahrgeräusche von Rettungsfahrzeugen unterdrückt werden, um die Schreie der Hilfesuchenden positiv zu detektieren.

Mithilfe Künstlicher Intelligenz soll der Prototyp, der von Macarena Varela und ihrem Kollegen Wulf-Dieter Wirth entwickelt wird, neben der Unterdrückung von Umgebungsgeräuschen außerdem Lautmuster wie zum Beispiel Schreien und Klatschen erlernen, also Töne, mit denen Menschen in Notsituationen versuchen, auf sich aufmerksam zu machen. Voraussetzung hierfür ist eine mit »impulsiven« menschlichen Geräuschen gefüllte Datenbank, die die Wissenschaftler zuvor mit selbst aufgenommenen Hilferufen und Signalen gefüttert haben.

 

Standortbestimmung potenzieller Opfer

Um im Notfall jedoch nicht nur die Schallereignisse zu detektieren, sondern die Hilfesuchenden vor allem auch schnell orten zu können, ordneten die FKIE-Wissenschaftler die kleinen, aber sehr leistungsstarken Mikrophone in einer bestimmten Form an: als sogenanntes »Crow's Nest Array« (CNA). Später soll dies unterhalb der Drohne montiert werden. In Kombination mit modernen Signalverarbeitungstechniken (»Beamforming«) kann so präzise und winkelgenau nachverfolgt werden, woher der Schall kommt: »Bisher haben wir sehr erfolgreich Tests auf dem offenen Feld durchgeführt. Unser Ziel ist es, Hilfeschreie von potenziellen Opfern zu identifizieren und ihre Position in kürzester Zeit zu bestimmen. Das System kann impulsive Geräusche präzise erkennen und lokalisieren«, betont die Wissenschaftlerin.

Abgeschlossen ist das Projekt allerdings noch nicht: Ihr nächstes Ziel ist, die Drohne mit einem Mikrophon mit noch höherer Frequenz auszustatten, um das Spektrum der detaillierten Signale zu verbreitern und diese noch eindeutiger zu klassifizieren. Gleichzeitig ist geplant, die Distanz zu vergrößern, aus der die Drohne die Geräusche erkennt. Hierfür wird die Anzahl der Mikrophone im Array, in diesem Fall sind das MEMS-Mikrophone, erhöht. Derzeit werden 32 eingesetzt, bei der nächsten Konstruktion ist vorgesehen, die Anzahl der Mikrophone zu verdoppeln. Damit könnte auch der geschätzte Winkel des Schalls präzisiert werden, und auch Geräusche aus größerer Entfernung könnten immer noch in Echtzeit erfasst werden. Für den konkreten Einsatz in Katastrophengebieten stellt sich Varela vor, dass die Standortdaten von Opfern an Notfallteams übermittelt werden, die dann auf Tablets die genauen Positionen erkennen können.

Dass das von ihr bearbeitete Forschungsfeld eine wichtige Lücke bei der Suche nach Vermissten schließen könnte, zeigen Anfragen verschiedener Industriepartner und Hilfsorganisationen, die im Bereich des Katastrophenschutzes unterwegs sind. Aber auch als Interviewpartnerin ist Macarena Varela seit ihrem Vortrag auf dem Online-Kongress mehr als gefragt. Ob im BBC-Science Podcast, im Gespräch mit der Times oder der Washington Post – das Szenario, mithilfe einer Drohne und akustischen Sensoren Verschüttete zu orten und zu retten, stößt weltweit auf großes Interesse.

 

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