Mehr Sicht beim Führen unübersichtlicher Fahrzeuge

Sicht- und Fahrunterstützung geschützter Fahrzeuge (SiFaU)

© Fraunhofer FKIE
Im Fuhrpark der Bundeswehr befinden sich viele schwere und unübersichtliche Landfahrzeuge wie zum Beispiel der Transportpanzer »Fuchs«, die hohe Anforderungen an ihre Führer stellen.
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Versuchsaufbau mit dem Spähwagen »Fennek«.

Die Bundeswehr betreibt mehr komplexe, schwere und unübersichtliche Landfahrzeuge als jede andere Organisation. Die für diese Fahrzeuge gängigen Sicherheitsmaßnahmen wie eine starke Panzerung, kleinflächige und versteckte Sichtfenster sowie das Fahren »unter Luke« stellen hohe mentale und physiologische Anforderungen an ihre Führer.

Die Fahrzeuge stehen im Spannungsfeld von Kampfkraft, Manövrierfähigkeit, Schutz der eigenen Soldaten und Sicherheit für eigene Kräfte und Zivilbevölkerung. Dies gilt nicht nur für Fahrzeuge, die unmittelbar für den Kampfeinsatz bestimmt sind, sondern auch für Spezial- und Transportfahrzeuge. Sie sind gleichermaßen sowohl der Gefahr eines Beschusses oder von IED (Improvised Explosive Device) als auch den Herausforderungen eines komplexen Straßenverkehrs ausgesetzt.

Erschwerend kommt hinzu, dass militärische Fahrzeuge heute sowohl für die symmetrische als auch die asymmetrische Kriegsführung ausgelegt sein müssen. Zum Schutz ihrer Besatzung werden direkte Sichtmöglichkeiten reduziert. Dadurch verringern sich jedoch auch Übersicht und Situationsbewusstsein der Mannschaft an Bord. Eine vollständige Umfeld-Erkennung ist nicht möglich.

Elektronischer Sichtersatz könnte hier eine Lösung bieten. Marktreife Assistenz- und Sichtergänzungssysteme existieren bereits im zivilen Straßenverkehr. Im Rahmen des Projekts »Sicht- und Fahrunterstützung geschützter Fahrzeuge« (SiFaU) prüft das Fraunhofer FKIE, inwieweit diese auch im Kontext militärischer Fahrzeugführung nutzbar sind. Darüber hinaus ist eine weitreichendere multimodale Unterstützung der Fahrzeuge angestrebt.

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Simulationsumgebung: emulierte Kabine
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Simulationsumgebung: 5-Monitor-System
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5-Monitor-System mit Augmentierung

Ziel der Projektreihe »SiFaU« ist es, die technische Unterstützung des Fahrens unübersichtlicher Bundeswehr-Fahrzeuge zu erforschen. Zentrale Aufgabenstellung und Vorgabe hierbei ist, dass sich die Unterstützung der Sicht und die nicht-visuelle Unterstützung des Fahrens nach Möglichkeit ideal und ergonomisch valide ergänzen sollen.

Dazu wurden im Rahmen von Projekt »SiFaU1« der Gestaltungs- und Nutzungsraum strukturiert, eine erste Marktsichtung und Marktrecherchen durchgeführt, einfache Konzepte skizziert und in einem ersten Simulatorversuch zwei Varianten von Sichtersatz mit einer simulierten Baseline verglichen. In einem Versuch mit einem noch vergleichsweise einfachen Fahrzeug, dem Spähpanzer Fennek, wurden zudem erste Tests der Sichtergänzung umgesetzt. Die hierbei erzielten Ergebnisse waren so ermutigend, dass weiterführende Forschung in Richtung einer weiteren Realisierbarkeit und Nutzbarkeit für eingeführte Fahrzeuge angestoßen wurde.

Im Folgeprojekt »SiFaU2« wurde so die bereits positiv evaluierte Sichtunterstützung weiter erforscht und in einer Abfolge von Simulator- und Realfahrzeugversuchen erprobt. Auch die Integration einer Rückspiegelkamera wurde in ersten Ansätzen untersucht. Zusätzlich wurde das Konzept des Sichtersatzes um eine Augmentierung der Sicht u.a. durch Projektionen von Fahrwegen und Markierung von Gefährdungen erweitert und im Simulator evaluiert. Anschließend wurde dieses Sichtmodell in einem Realfahrzeug durch einsatzerfahrene Fahrer der Bundeswehr getestet.

Zur Kollisionsvermeidung wurde eine erste Kombination von Sichtersatz mit Fahrunterstützung entwickelt und im Simulator angewendet. Parallel dazu wurde mit der Zulassungsstelle ein Notverfahren entworfen und eine Untersuchung zur Übernahmefähigkeit des Fahrers bei Ausfall des Sichtersatzes durchgeführt.

Beim elektronischen Sichtersatz handelt es sich um ein sehr aktuelles Thema, das die Bundeswehr mit hoher Priorität verfolgt. Bereits marktreife Assistenz- und Sichtergänzungssysteme aus dem zivilen Straßenverkehr werden hierzu auf ihre Tauglichkeit für den militärischen Einsatz geprüft. Im Rahmen der Projektreihe »SiFaU« haben einsatzerfahrene Fahrzeugführer der Bundeswehr ein 5-Monitor-System inklusive integrierter Rückspiegelsicht getestet. Sie bescheinigten dem System eine bessere Rundumsicht sowie weitere wichtige Vorteile, wie beispielsweise dass das System größere tote Winkel sowie auch das Erfordernis großer Kopfbewegungen eliminiert. Gute Orientierungshilfe bestätigten sie auch der Augmentierung, die insbesondere bei der Kurvenfahrt Unterstützung bietet.

Bedingt durch die hohe Notwendigkeit von elektronischem Sichtersatz, zum Beispiel bei der Fahrt unter Luk, hat das Fraunhofer FKIE zum 1. September 2017 die Zuwendung für die Nachfolge-Studie »SiFaU3« erhalten. Im Rahmen dieser sollen weitere Sichtersatzsysteme, wie beispielsweise ein Head-Mounted Display (HMD), untersucht und das vorhandene 5-Monitor-System um weitere Sichten, wie beispielsweise einen Rampenspiegel, erweitert werden. Weiter vertieft werden soll auch das Thema Augmentierung, im Speziellen in Richtung gebrauchstauglicher Unterstützung auch bei Nicht-Fahraufgaben, wie zum Beispiel der Erkennung und Augmentierung feindlicher Einheiten.